São Paulo, Brasilien (DAS)

Lesen Sie hier Erfahrungsberichte aus São Paulo, Brasilien​

Colégio Humboldt São Paulo, Brasilien (Deutsch/ Geschichte)

Schule Sao Paulo
Schule Sao Paulo
Foto: Aus dem Erfahrungsbericht

Zeitraum: Wintersemester 2018-2019 | Schulinfos: hierExterner Link

Vorbereitung des Auslandspraktikums

Ich habe mich ca. 14 Monate vor Beginn des Praktikums per Mail bei der Humboldt Schule in São Paulo beworben (Ansprechperson für PraktikantInnen: Ilse Klasing Sparovek). Die Bewerbungsfrist an dieser Schule ist zwar erst 3 Monate vor Beginn des Praktikums, jedoch erhielt ich dennoch innerhalb weniger Tage nach dem Einsenden der erforderlichen Unterlagen (Lebenslauf, Motivationsschreiben und Foto) die Zusage der Schule und zusätzliche Infos darüber, welche weiteren Unterlagen ich für den Praktikumsvertrag und das Visum benötigen würde.

Gerade bzgl. des Visums kann ich nur empfehlen, sich rechtzeitig um die erforderlichen Papiere (Infos auf der Seite der Brasilianischen Botschaft: http://berlim.itamaraty.gov.br/de/praktikum_im_rahmen_eines_studiums.xmlExterner Link) zu kümmern, da unter anderem auch notarielle Beglaubigungen erforderlich sind. Für die Beantragung des Visums musst Du dann persönlich zur Brasilianischen Botschaft nach Frankfurt. Außerdem kann man bei den Flugkosten sicherlich sparen, wenn man schon weit im Voraus die Flüge bucht. Da ich sie erst anderthalb Monate vor Abflug gebucht habe, habe ich gut 1.000 € gezahlt. Sowohl für das Visum (gebührenfrei) als auch für den Praktikumsvertrag benötigt man eine Reisekranken-/Unfall-/Haftpflichtversicherung für den Zeitraum des Praktikums. Nicht obligatorisch für das Visum aber dennoch sehr empfehlenswert: Die Gelbfieber-Impfung.

Das Schuljahr in Brasilien beginnt im Januar und das zweite Halbjahr startet im August nach den Winterferien (wenn Du zwischen Juni und August, also dem brasilianischen Winter, anreist, kann es gerade nachts sehr kalt werden, da vor Ort nicht geheizt wird). Mein Praktikum habe ich im zweiten Halbjahr (August-Dezember) absolviert und bin 10 Tage vor Beginn angereist, um mich schon einmal ein bisschen einzuleben, den Weg zur Schule kennenzulernen etc.

Ich habe ein Semester vor meinem Praktikum einen Portugiesisch-Sprachkurs an der Uni gemacht. Es kann zwar nicht schaden, zu Beginn ein paar Basics in der Sprache zu beherrschen, jedoch ist man an der Schule nicht auf Portugiesisch angewiesen und außerdem habe ich durch meine Gastfamilie und im Alltag relativ schnell immer mehr Portugiesisch lernen können. Der Erwerb der portugiesischen Sprache ist einer von vielen Mehrwerten, die ich aus dieser Zeit mitgenommen habe.

Ganz wichtig vor Ort in Brasilien: nicht vergessen, sich innerhalb von 90 Tagen persönlich bei der Polícia Federal zu melden, um sich dort registrieren und das Visum anerkennen zu lassen. Darauf wird aber auch die Brasilianische Botschaft in Frankfurt noch hinweisen.

Unterkunft

Während meiner Zeit in Brasilien habe ich wie gesagt bei einer Gastfamilie gelebt, die mir von der Schule zugewiesen wurde. Oft handelt es sich bei den Familien um SchülerInnen-Familien, sodass in meinem Fall meine kleinere Gastschwester auch an die Humboldt-Schule ging. Da die Familie erst relativ spontan gefunden wurde, hatte ich im Vorfeld zwar keinen Kontakt zu ihr, jedoch lief vor Ort alles reibungslos und die Schule und die Verantwortlichen haben sich stets darum gekümmert und bemüht, dass es mir gut geht und ich gut aufgehoben bin. Auch wenn das Leben in einer Familie erst einmal eine Umstellung zum WG-Leben in Deutschland war, hätte ich mir keine bessere Unterkunft vorstellen können. Ich wurde super herzlich aufgenommen und es war enorm interessant und spannend, den familiären, bunten und vielfältigen Alltag in Brasilien mitzuerleben.

Finanzen

Die monatlichen Ausgaben waren bei mir zusammengefasst ungefähr vergleichbar mit denen in Deutschland. Sehr entgegen kam mir natürlich, dass das Leben bei der Gastfamilie inkl. der Einkäufe etc. kostenlos war. Insgesamt sind die Lebensmittelpreise ungefähr vergleichbar mit denen in Deutschland, wobei zwar einige landestypischen Früchte etc. günstiger sind, dafür aber z.B. Kosmetik- und Pflegeprodukte teurer als in Deutschland. Wenn man noch Platz im Koffer hat, kann es also nicht schaden, hier zumindest das Nötigste schon aus Deutschland mitzunehmen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel war im Vergleich sehr günstig (je Busfahrt ca. 90 Cent, unabhängig von der zeitlichen Dauer der Fahrt). Daher kamen meine monatlichen Kosten weniger durch alltägliche Ausgaben, sondern mehr durch Aktivitäten, Ausflüge oder Wochenend-Trips zusammen. Auslandsförderung habe ich nicht bezogen.

Leben an der Schule

Seit dem Tag meiner Bewerbung an der Schule wurde ich bis zum Ende des Praktikums organisatorisch von der zuständigen Ansprechpartnerin der Schule bestens unterstützt. Schon vor Beginn meines Praktikums habe ich mir die Schule angesehen und ich wurde direkt super herzlich aufgenommen und von der zuständigen Ansprechpartnerin durch die (sehr große) Schule geführt. Am ersten Praktikumstag wurde mir mein Betreuungslehrer vorgestellt und auch von ihm hätte ich mir keine bessere Unterstützung und Begleitung während des Praxissemesters vorstellen können. In der ersten Schulwoche habe ich in Absprache mit Deutsch- und GeschichtslehrerInnen einen ersten Stundenplan für mich entworfen, sodass ich grundsätzlich einen festen Plan hatte, jedoch im Laufe der Zeit auch immer die Möglichkeit hatte, bei anderen Klassen und Projekten zusätzlich Erfahrungen zu sammeln und mitzuwirken. Egal ob bei der Hospitation, beim eigenen Unterrichten, beim Begleiten von Projekten usw., alle KollegInnen waren immer sehr offen für all diese Mitwirkungsmöglichkeiten und oft auch glücklich darüber, eine zusätzliche Hilfe und Unterstützung, vor allem in sehr heterogenen Klassen, zu haben.

Die Schule beginnt bereits um 07:10 Uhr (kleine Umstellung, aber schnell dran gewöhnt) und geht je nachdem, wie man seinen Plan strukturiert, bis mittags oder nachmittags (mit einstündiger Mittagspause). Insgesamt sind ungefähr 1300 SchülerInnen an der Schule, wobei vom Kindergarten bis hin zur Oberstufe jede Stufe viergleisig gestaltet ist, mit je einer Klasse im Deutschen Zweig und drei im Brasilianischen Zweig. Obwohl es sich um eine Deutsche Schule handelt, sind auch in den Klassen im Deutschen Zweig inzwischen viele oder sogar überwiegend brasilianische, aber auch aus anderen Herkunftsländern stammende SchülerInnen, was für mein Empfinden zu einem sehr interessanten und spannenden Unterrichtsgeschehen beigetragen hat. Ich habe in fast allen Klassenstufen im Deutschen Zweig die Fächer Deutsch und Geschichte sowie im Brasilianischen Zweig Deutsch als Fremdsprache zunächst hospitiert und die Lehrperson unterstützt und im Laufe der Zeit auch selbst unterrichtet. Neben dem gewöhnlichen Unterrichtsgeschehen gab es auch einige Theaterprojekte, bei denen ich ebenfalls mitwirken konnte sowie weitere künstlerische und musikalische Projekte jeglicher Klassen und Stufen. Davon war ich besonders begeistert, da ich dies aus Schulen in Deutschland in dieser Vielfalt und Intensität nicht kannte.

Das Kollegium war im Vergleich zu mir aus Deutschland bekannten Schulen sehr groß und eine Mischung aus deutschen und (mehr) brasilianischen LehrerInnen. Die Stimmung habe ich immer als angenehm und sehr locker empfunden. Es fanden ebenso entspannte, lustige Gespräche statt, wie auch fachliche Austausche. Diesbezüglich wurde ich von allen KollegInnen immer sehr hilfsbereit unterstützt und mir selbst wurde auch schnell Vertrauen seitens der anderen LehrerInnen entgegengebracht, was zu einem sehr positiven Arbeitsklima beigetragen hat.

Besonders begeistert war ich neben den Theaterprojekten insbesondere von den HumUnited- und SMUN (Swiss Model United Nations) –Konferenzen. So hatte ich die Möglichkeit, diese von und für die SchülerInnen organisierten mehrtägigen Konferenzen sowohl in Curitiba als auch in Rio de Janeiro zu begleiten. Auch das war eine sehr spannende Erfahrung, die ich in Deutschland so sicherlich nicht hätte machen können. Insgesamt bietet die Schule also eine unfassbar große Bandbreite an allen möglichen kreativen und internationalen Projekten an (wobei man als PraktikantIn auch immer etwas Glück haben muss, dass diese Projekte in das Zeitfenster des Praxissemesters fallen).

Noch ein kleiner Tipp bzgl. der eigenen Strukturierung: Besprich am besten gleich zu Beginn Deines Praktikums mit Deinem Betreuungslehrer und den anderen Lehrpersonen, bei denen Du hospitieren und unterrichten möchtest, was die Anforderungen seitens der Uni sind, damit Du diese von Anfang an in die Praxis mit einplanen kannst und am Ende nicht in zeitliche Bedrängnis damit gerätst.

Freizeit

Die Freizeitgestaltung in São Paulo ist sehr vielseitig. In Interlagos, dem Stadtteil der Schule, gibt es z.B. einen großen Stausee und außerdem einige gemütliche Kneipen und Restaurants. Im Gegensatz zu anliegenden Stadtteilen ist es in Interlagos aber eher ruhig. Das Zentrum selbst, was mit dem Bus ca. eine Stunde von Interlagos entfernt liegt, bietet vor allem mit einigen großen Parks, vielen Museen und der Paulista-Straße, die sonntags für Autos gesperrt ist und wo sich unzählige Menschen, Verkaufsstände und Musiker versammeln, viele Möglichkeiten, sein Kultur- und Freizeitprogramm zu gestalten.

Vor allem das Essen hat mich in seiner Vielfalt positiv überrascht. Was es typsicherweise an jedem Straßenstand gibt und Du unbedingt probieren solltest ist z.B. Pastel, Coxinha, Churrasco oder die süßen Brigadeiros. Nicht zu vergessen natürlich der typisch brasilianische Caipirinha (ein bisschen (viel) stärker als in Deutschland). Im Zentrum selbst aber auch in anderen nahegelegenen Stadtteilen, wie Santo Amaro, gibt es auch unzählige Bars und Clubs, bei denen immer irgendwo die richtige Musikrichtung dabei ist.

Für einen Wochenendausflug ist es auf jeden Fall empfehlenswert, gerade bei wärmeren Temperaturen an die nächstgelegenen Strände zu fahren. Die nächsten sind schon in zwei bis drei Autostunden erreichbar. Ich war beispielsweise in Juqueí, einem Strandabschnitt in São Paulo sowie in Paraty, was allerdings schon zu Rio gehört und ca. 5-6 Stunden mit Auto/Bus entfernt liegt. Gerade Paraty ist mit seinem super schönen Zentrum und den vielen traumhaften Stränden, die mit einem Boot vor Ort zu erreichen sind, sehr empfehlenswert.

Wenn Du dann neben dem Praktikum oder im Anschluss noch Zeit zum Reisen hast, ist es sehenswert, neben dem städtischen São Paulo und den nahen Stränden auch die umliegenden ländlicheren Gebiete mit dem Regenwald Brasiliens und natürlich auch Rio de Janeiro zu bereisen.

Besonders faszinierend war für mich die Lebensfreude und die Mentalität der Menschen in São Paulo, was sich gerade bei den unzähligen Familienfeiern und den Sonntagen auf der Paulista-Straße bemerkbar gemacht hat, wenn alle Menschen mit so vielen unterschiedlichen kulturellen, familiären und sozialen Hintergründen gemeinsam auf den Straßen zur Samba-Musik tanzen und für so viel positive Stimmung und Freude sorgen.

Allgemein

Kein Geheimnis ist, dass São Paulo neben seiner faszinierenden kulturellen Vielfalt auch eine hohe Kriminalitätsrate aufweist. Ich selbst habe während meiner fünf Monate in Brasilien keinerlei negative Erfahrung diesbezüglich gemacht. Allerdings gilt es hier, einerseits sehr achtsam zu sein (z.B. nicht unbedingt mit dem Handy in der Hand durch die Gegend laufen – das kann schnell weg sein) aber genau dadurch auch keine zu große Unsicherheit auszustrahlen. Vor allem im Zentrum besser keinen Schmuck tragen und die Taschen nah bei sich. Ich habe mich gerade zu Beginn und vor allem im Dunkeln nur mit Freunden der meiner Familie zusammen draußen aufgehalten. Umso besser ich mich dann auskannte, desto sicherer und normaler wurde es dann, auch allein in den Straßen unterwegs zu sein.

In São Paulo angekommen wollte ich mir eine brasilianische SIM-Karte zulegen, was sich als etwas komplizierter herausstellte als gedacht, da dies nur mit Vorlage der brasilianischen CPF-Steuernummer möglich ist. Diese Nummer hätte ich theoretisch auch beantragen können, lohnte sich aber nicht wirklich für den Zeitraum von fünf Monaten. Somit musste ich mir die SIM-Karte letztendlich zusammen mit einem brasilianischen Kollegen und dessen Steuernummer besorgen, was dann aber kein Problem war.

Bzgl. der öffentlichen Verkehrsmittel ist wie gesagt vor allem der Bus aber auch die Subway vergleichsweise sehr günstig. Allerdings wird in den Bussen selbst nicht angesagt oder angezeigt, bei welcher Haltestelle der Bus zum jeweiligen Zeitpunkt ist, was zu Beginn nicht gerade hilfreich ist, woran man sich aber gewöhnt, umso besser man die Stadt kennenlernt. Für den Fall der Fälle war das Uber-System eine große Hilfe. Viel günstiger, flexibler und sogar sicherer als das Taxi. Also bist Du mit der Uber-App immer auf der sicheren Seite. Apropos Straßenverkehr: Die gut 12 Millionen Einwohner der Stadt sowie das enorm große Verkehrsaufkommen, durch das man auch für „kürzere“ Strecken zu ungünstigen Zeiten mal Stunden braucht, waren für mich die wahrscheinlich größte Umstellung im Gegensatz zu den Kleinstädten in Deutschland. Aber auch daran habe ich mich sehr schnell gewöhnt.

Ein kleiner Tipp noch zum Abschluss: nimm Dir am besten die Unterlagen aus den Begleitseminaren alle schon mit nach Brasilien. Ich hatte zwar neben den Unterrichtsvorbereitungen oft nicht mehr viel Zeit für die universitären Dinge, allerdings war es zum Ende hin entspannter, dass ich ab und zu schon ein wenig vorarbeiten konnte, um auch zum Schluss noch genügend Zeit für Freizeitaktivitäten und zum Reisen zu haben.

Die Entscheidung, mein Praxissemester in São Paulo am Colégio Humboldt zu absolvieren, war die beste, die ich hätte treffen können. Neben all den unfassbar vielfältigen schulischen Erfahrungen, die ich erleben durfte und in dieser Form in Deutschland sicherlich nicht hätte machen können, sowie den faszinierenden kulturellen, zwischenmenschlichen, landschaftlichen Eindrücken, die ich sammeln konnte, sind es am Ende vor allem die eigenen, persönlichen Entwicklungen während dieser Zeit, die einem keiner mehr nehmen kann.