Tallinn, Estland (DPS)
Tallinna Saksa Gümnaasium, Tallinn, Estland (Mathematik/ Sport)
Zeitraum: September 2016 - Dezember 2016 (WiSe 2016/17) | Schulhomepage: hierExterner Link
Was hat dich dazu bewogen, Dein Praxissemester nach dem Jenaer Modell der Lehrerbildung im Ausland zu absolvieren?
Mich zieht es schon immer in die Ferne. Im Lehramtsstudium ist es nicht leicht, ein Auslandssemester zu absolvieren, ohne dass man das Studium unterbrechen muss. Somit wollte ich die Chance etwas „anderes“ zu sehen im Praxissemester unbedingt nutzen – ein neues Land und dessen Kulturen kennenlernen und Einblicke in das Auslandsschulwesen bekommen. Zudem faszinierte mich das Schulmodell „Deutsche-Profil-Schule im Ausland“, welches ich kennen lernen wollte.
Warst Du gut auf das Praxissemester im Ausland vorbereitet oder gab es auch Situationen, mit denen du nicht gerechnet hast?
Überraschende bzw. herausfordernde Situationen erlebt man (meines Erachtens nach) immer, wenn man etwas „Neues“ in Angriff nimmt. Hier und da tappte ich in kleine (kulturelle) Fettnäpfchen, was im Nachhinein aber eher für Erheiterung sorgte.
Fachlich war ich aus meiner Sicht gut auf die Themen im Unterricht vorbereitet. Dennoch musste ich (vor allem in Mathematik) jede Stunde im Hinblick auf die didaktische und sprachliche Aufbereitung gründlich durchdenken.
Welche für Dich bedeutende Erfahrung(en) hast Du an der Praktikumsschule gemacht?
Der Schulalltag ist durch freundschaftliches Verhalten und Hilfsbereitschaft des kleinen Kollegiums untereinander hier relativ entspannt. Vor allem bieten auch die 20-minütigen Pausen zwischen den Stunden 2 bis 6 den Lehrkräften Zeit zum Pausieren oder zum Austausch über (Problem-)Schülerinnen/schüler. Auch außerschulisch haben die Lehrkräfte der deutschen Abteilung relativ viel miteinander unternommen, um sich die dunklen Monate bei einem gemütlichen Abendessen oder Ausflügen zu verschönern.
Die Esten sind ein sehr multikulturelles Volk mit geschichtlich bedingten Einflüssen aus vielen verschiedenen Kulturen: finnisch, russisch, deutsch, schwedisch und sogar englisch. Dies hört man auch an der sehr schweren Sprache. Ein Viertel der Bevölkerung ist auch heute noch russisch und so auch viele der Schülerinnen und Schüler. Ansonsten können die Esten wahre Freunde werden sobald das sprichwörtliche Eis nach etwa drei Begegnungen gebrochen ist.
Was war im Gegensatz zur Deinen bisherigen Erfahrungen mit der Schulwirklichkeit in Deutschland eine echte Besonderheit an der Praktikumsschule im Ausland?
In Estland werden alle Schülerinnen und Schüler an einer Schule unterrichtet; es wird nicht nach Leistung sortiert und Sonderschulen gibt es nicht. Ich konnte sehen, dass Inklusion an einer (Gesamt-)Schule funktionieren kann.
Aus meiner Sicht hat Bildung und somit der Lehrerberuf in Estland einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Die Schülerinnen und Schüler sind den Lehrenden gegenüber sehr respektvoll und folgen dem Unterricht aufmerksam. Zudem ist es für die Schülerschaft normal, sich Sachverhalte selbst anzueignen und sich auf den Stoff selbständig vorzubereiten.
Vor allem im Sportunterricht fiel mir das Körper- und Bewegungsverständnis der Schülerinnen und Schüler positiv auf. Sie lernen Bewegungen vor allem visuell über Abschauen und Kopieren. Ebenso sind sie sehr ehrgeizig, Leistung zu zeigen und nutzen freie Übungszeiten zur Leistungsverbesserung. Auch in ihrer Freizeit sind die Esten sportlich sehr aktiv.
Welchen Mehrwert hat Dir das Praxissemester im Ausland für das Lehramtsstudium/den späteren LehrerInnenberuf sowie für Deine Persönlichkeit gebracht?
Für mich ist es sehr wichtig, meinen Berufswunsch durch die praktischen Erfahrungen und das Feedback zu jeder gehaltenen Stunde bestätigt zu wissen. Ich konnte Selbstvertrauen im Umgang mit Schülerinnen und Schülern und als Lehrende vor der Klasse sammeln. Außerdem weiß ich nun, woran ich bis zu meinem Referendariat noch arbeiten kann. Ebenso habe ich grundlegende Kenntnisse in den Bereichen DFU (Deutschsprachiger Fachunterricht) und DaF (Deutsch als Fremdsprache) als zusätzliche Qualifikationen erwerben können. Ich habe nun fest vor, DaF/DaZ als Drittfach in meinem Studium zu ergänzen.
Welche Tipps gibst Du Studierenden mit auf den Weg, die noch überlegen, ob sie ihr Praxissemester im Ausland absolvieren wollen?
- Ihr werdet hier sehr lieb aufgenommen und gut betreut.
- Macht das Praktikum nur in der deutschen Abteilung, sprich mit folgenden Fächern: Biologie, Deutsch, Geschichte, Mathe oder Physik.
- Vertraut auf eure eigenen Fähigkeiten und nehmt die Herausforderung an!
- Seid offen und geht auf die Menschen zu, dann könnt ihr viel gewinnen!