Shanghai, China (Fit)

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Shanghai I&C Foreign Language School, China (Musik Doppelfach)

Kollegium
Kollegium
Foto: Aus dem Erfahrungsbericht

Zeitraum: März 2018 - Juli 2018 (SoSe 2018) | Schulinfos: hierExterner Link

Vorbereitung des Auslandspraktikums

Seit dem Beginn meiner Organisation des Praktikums war es eine herausragend gute Idee, mit dem Projekt SCHULWÄRTS! vom Goethe-Institut mein Praxissemester zu bestreiten! Das weltweite Team ist hervorragend organisiert und so fühlte ich mich jederzeit bestens versorgt und nie allein oder hilflos.

Zuerst habe ich mich für das Praktikum und das damit verbundene Vollstipendium beworben. Das war etwa 15 Monate vor dem Praktikum. Nach meiner erfolgreichen Bewerbung durfte ich zum Ausreiseseminar des Goethe-Instituts nach München fahren und bekam dort das erste interkulturelle Sensibilisierungstraining. Etwa ein Jahr vor dem Praktikum bekam ich meine Praktikumsbestätigung vom Goethe-Institut, eine Schule bekam ich erst später zugewiesen, weil sich die Schulen in China um Praktikanten bewerben müssen und das erst kurz vor dem betreffenden Schuljahr möglich ist.

Meine erste Kontaktaufnahme mit der Schule erfolgte darum erst anderthalb Monate vor meinem Praktikum. Dabei wurde mir die Unterkunft zugesichert und ich bekam alle nötigen Informationen für das Visumbeantragen. Mein X1-Visum für Studenten habe ich mit der Einladung der Schule bei der Visa-Agentur 1avisum.de in Berlin beantragt, da das chinesische Konsulat Privatpersonen Schwierigkeiten bereiten kann. Es ist sehr empfehlenswert, erst mit dem ausgestellten Visum den Flug zu buchen, da ich zum Beispiel den unvorhersehbaren Zeitraum von 160 Tagen genehmigt bekam, obwohl das Praktikum eigentlich nur 120 Tage dauert. In China musste ich mich nur noch bei der Polizeistelle melden, was eine Deutschlehrerkollegin mit mir erledigte. Ich habe eine private Reisekrankenversicherung bei Hanse Merkur abgeschlossen, die sich bisher als sehr zuverlässig erwiesen hat. Sie kostet im Studententarif und allen Extras ca. 2€ am Tag, was wiederum von meinem Stipendium abgedeckt wurde.

An- und abgereist bin ich innerhalb von 13h mit dem Flugzeug und bezahlte insgesamt etwas über 500€ hin und zurück, was wieder im Stipendium enthalten war. Ein ausgiebiger Vergleich auf den bekannten Vergleichsseiten wie Opodo, fluege.de oder Momondo lohnt sich aber in jedem Fall.

Das Sommerschuljahr begann mit dem März, ich bin zwei Tage vor meinem ersten Schultag, dem 05.03. angereist um entspannt anzukommen. Vor der Abreise nach China sollte man sich ein zuverlässiges VPN-Programm organisieren, denn ohne so ein Programm sind Teile des Internets wie Google, Facebook oder YouTube gesperrt. Ich nutzte Vypr-VPN, der kostet 8 Euro im Monat und funktioniert während meiner ganzen Zeit in China tadellos. Außerdem sollte man eine gute Übersetzer-App wie Youdao auf dem Smartphone installieren. Damit kann man simultan Gespräche oder auch seitenweise per Handy gescannten Text übersetzen. Von der Spracherkennung abgesehen funktioniert das auch offline. Eine chinesische SIM-Karte hat mir problemlos meine Gastfamilie organisiert, man muss nur darauf achten, dass man eine bekommt, mit der man in ganz China telefonieren kann, wenn man reisen möchte.

Unterkunft

Ich durfte luxuriös bei einer Gastfamilie in ruhiger Lage wohnen. Die Miete wurde von meiner Schule bezahlt und mit dem Fahrrad brauchte ich etwa 10-12 Minuten zur Schule.

Alle Angelegenheiten zur Unterkunft wurden ebenfalls von der Schule organisiert. Zum Beispiel wurde ich nach meiner Ankunft am Flughafen von einem Fahrer der Schule abgeholt und in dem Wohnviertel von einer Deutschlehrerkollegin empfangen und meiner Gastfamilie vorgestellt. In meiner Gastfamilie sprachen bis auf meine Gastmutter und der Haushälterin alle gut Englisch. Die Familie ist super freundlich und zuvorkommend und brachte mir sehr gern ihre Kultur nahe und freute sich ihrerseits sehr über typisch deutsches Essen, was wir zusammen kochten oder etwas Klavier- oder Trommelunterricht für Ihren Sohn. Es hat viel Spaß gemacht, sich über Kulturunterschiede mit ihnen zu unterhalten oder mit dem 12jährigen Sohn in Englisch zu erzählen, was für meine Gastmutter sehr wichtig war.

Finanzen

Mein SCHULWÄRTS!-Stipendium vom Goethe-Institut umfasste insgesamt 3000€ für 4 Monate und war somit großzügig bemessen. Die Förderung kam dabei von der Merkator Stiftung. Wer ausländische Kreditkarten nutzen will, kann dies zumindest in Shanghai an vielen Geldautomaten der größeren Banken und vielen größeren Läden tun. Das brauchte ich nie.

An meinem ersten Schultag eröffnete meine Kollegin ein chinesisches Bankkonto für mich, da ich die Miete für mein Zimmer in der Familie überwiesen bekomme. Das war großes Glück, denn ab dann stand mir auch die Möglichkeit des bargeldlosen Bezahlens offen, was fast überall in China mit QR-Codes auf dem Smartphone erledigt wird. Auch die sehr praktischen Leihräder bezahlte ich so. Mit den Diensten Alipay oder WeChatpay kann man jederzeit einen QR Code generieren, mit dem man jedem anderen Nutzer Geld senden kann, ähnlich wie mit WeTransfer oder Paypal, nur noch einfacher und schneller. Und so bezahlen auch die Meisten im Supermarkt, im Obstladen oder bei einem Straßenverkäufer.

Leben an der Schule

In meiner Schule hatte ich viele kompetente Ansprechpartner, die mir mit allen Fragen immer umgehend weitergeholfen haben, denn die Hilfsbereitschaft war immens hoch. Zunächst waren es die fünf chinesischen und zwei deutschen Kolleginnen im Fach Deutsch sowie zwei Musikkollegen. Darunter hatte ich eine überaus kompetente deutsche Betreuungslehrkraft, die meist Lehrerfortbildungen für das Goethe-Institut oder Coachings leitet und mir mit allen pädagogischen Fragen überaus behilflich war. Meine chinesischen Kollegen wurden und werden ebenfalls in Fortbildungen vom Goethe-Institut ausgebildet, es gibt in China nämlich nur für die Kernfächer und als wichtig angesehenen Sprachen wie Englisch oder Chinesisch pädagogische Studiengänge. Da das Goethe-Institut nach sehr gut durchdachten und pädagogisch überzeugenden Prinzipien wie Lernerzentrierung, Handlungsorientierung, Fertigkeitsorientierung, angstfreies Klassenklima, nonvernbale Steuerungsmittel usw. fortbildet, unterrichteten auch meine Deutsch-Kollegen pädagogisch variantenreich und flexibel. Durch regelmäßige staatliche Kontrollen des Unterrichts sind alle chinesischen Lehrer obendrein dem Druck ausgesetzt, so gut zu unterrichten, dass Ihre Schüler gute Noten schreiben. Wer nicht gut bei diesen Kontrollen abschneidet, bekommt unter anderem eine geringere Bezahlung.

Die Atmosphäre im Kollegium war überaus herzlich. Ich bekam immer umgehend Tipps, Hilfe, Unterrichtsmaterial oder Zubehör von allen acht Kollegen aus meinem Büro aus den Sprachen Deutsch, Spanisch, Französisch und Japanisch, die alle um die 30 Jahre alt waren. Es wurde viel gelacht, gescherzt und auch mal Süßigkeiten oder lokale Spezialitäten aus den Veranstaltungsorten der letzten Fortbildungen ausgetauscht. Bei Ausfällen von Lehrern wurden die Stunden schnell verteilt, so übernahm ich ebenfalls Vertretungsstunden im Fach Musik und Deutsch. Bei allen interkulturellen Fragen konnte ich mich ebenfalls an meine Ansprechpartner beim Goethe-Institut in China oder Deutschland wenden und bekam immer zufriedenstellende Antworten.

Ein typischer Praktikumstag

Vor der ersten Stunde 8:10 gab es an manchen Tagen 20 Minuten Vokabeltraining, bei dem ich zum Beispiel für die Deutschklassen die Aussprache der Wörter übte. Immer durch Vor- und Nachsprechen. Dann folge meist eine Doppelstunde (2 mal 45 min), in der ich zum Beispiel hospitierte oder bei einigen Übungen assistierte, Beispiele gab oder etwas über Deutschland, europäische Musik oder unsere Kultur generell erzählte. In der Doppelstunde gab es immer eine kurze Pause zwischendurch und danach die erste große Pause. In dieser kam jeden Wochentag ein Fünftel aller Schüler, also immer etwa 500 Schüler auf den Sportplatz zum Apell. Dabei gab es Lob und Tadel, wichtige Ansagen und Morgengymnastik von den Schülern. Dann gab es die nächste Doppelstunde und 90 Minuten Mittagspause. Die drei Mensen sind direkt auf dem kleinen Campus. Während der Mittagspause gab es auch von Schülern organisierte Klubs, in denen man z.B. Malen, Kaligraphie, Klavier oder eine neue Sportart lernen kann. Ab 13:25 folgt die nächste Doppelstunde. Diesmal gab es aber in der kleinen Pause zwischendurch eine Augengymnastik, bei der die Gesichtsmuskular mit Instruktionsdurchsage durch die ganze Schule massiert wurde. Manchmal gab es in der Woche auch eine siebente Stunde ab 15:15. So nahm ich zum Beispiel an der Bogenschießklasse teil.

Andere Praktikanten gab es an der Schule nicht, aber etwa 25 weiter ausländische Lehrer, die fast alle gut Englisch sprachen und interessante Gespräche möglich machten. Insgesamt gab es an der Schule etwa 2500 Schüler und 250 Lehrer.

Ich durfte mich überaus vielfältig einbringen und bei allen Lehrern hospitieren, bei denen ich fragte. Im Deutsch- oder Musikunterricht wurde ich gern als Assistent mit Übungen und kleinen Vorträgen eingesetzt. Manchmal war mit unproblematischer Absprache auch im Co-Teaching, vor allem im Bereich Phonetik möglich. Zwei große Projekte leitete ich auch. Zum einen Prüfungssimulationen für den Teil Sprechen für etwa 120 Interessenten am Goethe-Zertifikat Fit A1 und A2. Außerdem veranstaltete ich einen deutschen Karaoke-Wettbewerb mit 6 Schulen, bei dem ich immens viel Unterstützung durch die Schule bekam.

Möglichkeiten zum Nebenverdienst hätte es mit großem Nachhilfebedarf gegeben, vor allem bei den deutschen Auslandsschulen. Ich war aber zu sehr eingespannt in meiner eigenen Schule und mit dem Entdecken von China beschäftigt, um diese Möglichkeiten wahrzunehmen.

Freizeit

Das Kultur und Freizeitangebot ist in der Weltstadt Shanghai unbegrenzt groß. Mit dem weitläufigen und äußerst billigen ÖPNV erreicht man das Stadtzentrum innerhalb einer Stunde, was für Shanghaier Verhältnisse schnell ist. Hier leben über 25 Millionen Einwohner auf über 6300 km² und die Stadt gilt als eine, der sich am schnellsten entwickelnden Städte der Welt. Das erkennt man an den überall emporsprießenden Villen- und Hochhausvierteln, an den weitverbreiten elektrischen und oft auch sehr teuren Fahrzeugen. Die Autos gelten dabei oft als Prestigeobjekt.

Das Essen ist nach meinem Geschmack fast überall sehr lecker, schnell zubereitet und etwas günstiger als in Deutschland. Man sollte auf jeden Fall die vielfältigen Dumplings/ jiao ze oder bao ze (gefüllte Teigtaschen) probieren, mal gebraten, in einer Suppe oder gedämpft. Auch das vielfältige Obst und Gemüse begeisterte mich, für Vegetarier gibt es viel Auswahl, auch wenn man im Restaurant oft danach fragen muss, da meist ein bisschen Fleisch oder Speck im Gemüse ist.

Neben dem Praktikum war ich zum Beispiel bei einem Zwischenseminar mit dem Goethe-Institut in Peking, was sich sehr gelohnt hat. Auch Hangzhou war mit seinen traditionellen Teeplantagen ganz sicher einen Besuch wert.

Auf Reisen war ich außerdem in der beeindruckenden Stadt Xi ´an mit 3500 Jahren Geschichte als Beginn der Seidenstraße, in Dunhuang in der Wüste Gobi inklusive Kamelreiten, den malerischen Reisterrassen bei Guilin und zum Wandern in den wunderschönen Bergen in Yangshuo und Zhangjiajie. All diese Ausflugziele kann ich sehr empfehlen, da Reisen in China mit etwas Planung unkompliziert und mit geringem Budget möglich ist.

Allgemeine Hinweise

Wer Post nach Deutschland schickt muss manchmal lange Wartezeiten wie 2,5 Wochen für Postkarten in Kauf nehmen und sollte das Zielland auch in Chinesisch auf den Brief schreiben.

Wer in Shanghai feiern gehen will, sollte sich nach Promotern erkunden. Sie können Ausländern kostenlosen Zutritt und Freigetränke zu den meisten Clubs der Stadt ermöglichen. Es gibt außerdem mehrere Foren zum Thema Deutsche in Shanghai.

Rückblickend ist für mich sehr wichtig: die meisten Chinesen neigen zu einer organisatorischen Gemütlichkeit und besonders an meiner Schule konnte etwas schnell mal sehr spontan und anders werden als geplant. Wenn es denn geplant war. Das spiegelt sich auch im unvorhersehbaren Straßenverkehr wieder. Ich hielt mich für sehr entspannt und spontan. Diese Einstellung wir auch von vielen Chinesen geschätzt und außerdem mit etwas Chaos vermengt. Darauf sollte man sich also einstellen und immer Varianten im Kopf haben. Sich auf irgendwas festzulegen mögen scheinbar einige Chinesen nicht. Und es ist in der festen Verwaltungsstruktur oder eben auf der Straße ziemlich aussichtslos, auf einem Recht auf Vorfahrt oder einen ausgetüftelten Plan zu beharren. Ich nahm diesen Umstand als Anlass, mich ausgiebig in Geduld und Spontanität zu üben.