Chennai, Indien (Fit)

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Bala Vidya Mandir Senior Secondary School, Chennai, Indien (Englisch/ Sozialkunde)

Schulhof

Foto: Aus dem Erfahrungsbericht

Zeitraum: Juli - Dezember 2019 (WiSe 2019/20) | Schulinfos: hierExterner Link

Vorbereitung des Auslandspraktikums

In der Vorbereitung auf das Praxissemester gestaltete sich vor allem das Bekommen eines Visums für Indien schwierig. Trotz zweitmonatiger Vorlaufzeit bekam ich mein Visum am Flughafen etwa 2 Stunden vor Abflug. Die Schwierigkeit liegt hier darin, dass man kein Arbeitsvisum beatragen sollte, sondern einen bestimmten Typ von “Student-visa” (in meinem Fall s-6). Die Kontaktaufnahme mit der Schule erfolgte über das Goethe-Institut und meinen Betreuer dort. Auch im weitere Verlauf dieser Beschreibung wird herauskommen wie viel ich dem Goethe-Institut verdanke, dass mir in vielerlei Hinsicht eine Stütze war. Im Voraus hatte ich nicht mit Vertretern der Schule zu tun, sondern ausschließlich mit dem Goethe-Institut. Sich in Indien speziell nochmal irgendwo zu melden ist nach der Einreise nicht nötig. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Regierung selbst nicht genau weiß wie viele Menschen im Land leben. Die letzte Volkszählung/Zensus hat 2011 stattgefunden. Das Abschließen einer Reisekrankenversicherung ist unbedingt zu empfehlen, allerdings ist von meiner Krankenversicherung (Debeka) unbedingt abzuraten (schlechter Service, keine Antworten und dann eine Forderung nach Nachzahlung).

Flugtickets müssen für beide Flüge aus Visagründen im Voraus gebucht werde. Ich habe insgesamt 700 Euro gezahlt wobei das auch daran liegt, dass ich nur etwa anderthalb Monate im Voraus gebucht habe. So hat der Hinflug etwa 500 Euro gekostet der Rückflug aber nur etwa 200. Es kommen allerdings zu alledem auch noch Kosten für das Visum hinzu es ist also allgemein zu empfehlen sich um ein Stipendium zu bemühen. Andernfalls wären die Ausgaben für mich auf jeden Fall zum Problem geworden. Ich habe nicht allzu viel gepackt und auf Anschaffung für die Reise quasi komplett verzichtet, da in Indien aufgrund des Verhältnisses der Währungen alles wesentlich günstiger ist. Ich habe mich außerdem darauf eingestellt meinen Lebensstil komplett zu ändern, sodass ich nur auf Produkte angewiesen bin die es dort auch gibt. Das ist unbedingt zu empfehlen, wenn man versucht auf “deutsche Weise” dort weiterzuleben wird man sehr viele Unannehmlichkeiten, Schwierigkeiten und letztlich Frustration in Kauf nehmen müssen.

Noch ein paar Worte zum Thema Sprache und Indien: In Indien ist Englisch zwar Amtssprache aber die Leute unterhalten sich in der Regel in den lokalen Sprachen im Falle von Chennai und ganz Tamil Nadu (der Bundesstaat in dem es sich befindet) ist das Tamil.

SIM Karte: Gar nicht so einfach zu kriegen in Indien, sehr komplizierte Registrierung. Am besten jemanden finden der einem eine überlassen kann.

Unterkunft

Angereist bin Ich einige Tage bevor meine Arbeit an der Schule begann. Die ersten 3 Tage habe ich im, netterweise vom Goethe-Institut bezahlten, Hotel verbracht bevor ich mein Zimmer bezogen habe. Das lag daran, dass es erst frei werden musste. In dieser Zeit habe ich gelernt mit dem Busnetz umzugehen, was durchaus gewöhnungsbedürftig ist (Busse fahren los sobald sie voll sind, vieles ist nur auf Tamil beschriftet, Fahrpläne oder Linienpläne liegen nicht aus und auch das Internet liefert nur sehr unzureichend Information). Mein Zimmer wurde mir durch die Schule vermittelt, vor allem weil es sehr günstig gelegen (10 Minuten zu Fuß von der Schule entfernt) ist. Ich würde es allerdings nicht weiterempfehlen. Ich habe nicht gerade hohe Anforderungen an meine Wohnsituation aber sich mit diesem Zimmer zurechtzufinden war eine Herausforderung. Ich bin schon dankbar, dass ich einen separaten Raum hatte den ich zu machen konnte, das trifft auf meine 6 Mitbewohner nicht zu. Es gab zwar einen Deckenventilator. Der kam aber kaum gegen die feuchte Hitze und den Mangel an Belüftung an. Unter diesen Bedingungen schimmelt selbst ein Gürtel innerhalb weniger Tage, wenn man ihn einfach nur an der Geraderobe hängen lässt. Hinzu kamen regelmäßig Probleme mit Wasser und Strom. Nun gut, man findet sich immer zurecht aber die Unterkunft war oft ein unnötiges Erschwernis im täglichen Leben. Demensprechend habe ich keine guten Tipps in Sachen Wohnung mir bleibt in dieser Hinsicht nur viel Glück zu wünschen.

Finanzen

Die Kosten dort für einige Dinge sind lächerlich gering (Essen, Textil, öffentliche Verkehrsmittel) während die Kosten für andere Dinge (Unterkunft, Technik, Luxusgüter) näher am europäischen Level sind. Daher gilt es doppelt aufzupassen, dass man nicht zu viel Geld ausgibt, gerade weil alles so günstig ist oder man Preise für Dinge unterschätzt, weil man denkt “Hier ist ja eh alles billig”.

Mein Zimmer hat im Monat 8000 Rupien gekostet (130 Euro) und tägliche Ausgaben ohne “Shopping” sind zwischen 300 und 800 Rupien am Tag also nochmal zwischen 10000 und 20000 Rupien im Monat. Also zwischen 125 Euro und 200 Euro. Das sind allerdings nur sehr grobe Orientierungswerte.

An Fördermitteln hatte ich das Schulwärts-Stipendium des Goethe Institut (3000 Euro) + etwa 230 Euro im Monat Auslands-Bafög zur Verfügung. Man sollte allerdings nicht vorschnell von 1000 Euro im Monat ausgehen da natürlich die Ausgaben für Flüge, Visa und Versicherung noch dazukommen die sich in meinem Fall auf über 1000 Euro beliefen (etwa 1100). Ich habe mir eine Auslandskreditkarte zugelegt die mal funktioniert hat und mal nicht. Das liegt allerdings weniger an der Karte als mehr an den entsprechenden Geldautomaten. Auch wenn in der Regel ein Geldautomat zu finden ist, ist es zu empfehlen immer eine Rücklage an Bargeld zu haben, da die Geldautomaten keinesfalls verlässlich sind (Ich erinnere mich an einen Fall als ich meine Miete bezahlen wollte und alle 7 (!) im Viertel defekt waren). Es ist außerdem sinnvoll sich über Geldabhebegebühren im Vorfeld zu informieren.

Leben an der Schule

An meiner Schule habe ich eine sehr hierarchische Organisationsstruktur angefunden mit dem Schuldirektor an der Spitze gefolgt von der Vizedirektorin und dann jeweiligen “heads of Department” für die unterschiedlichen Fachbereiche. Meine Mentorin war die Vizedirektorin, deren Rolle an der Schule allerdings viel Verantwortung für alltägliche organisatorische Vorgänge involviert (Während der Rektor mehr für die Repräsentation der Schule nach außen zuständig ist) und so nicht viel Zeit für meine Betreuung ließ. Eine wertvollere Mentorin habe ich in der Fachbereichsleiterin für Englisch, meiner Sitznachbarin im Lehrerzimmer gefunden. Mit ihr, sowie mit der Fachbereichsleiterin “Social Studies” hatte ich viel zu tun, da ich mit ihnen meine Stunden und Hospitationen koordiniert habe. Es sei angemerkt, dass die Atmosphäre in der Schule sehr familiär ist und man sich sehr lieb um mich gekümmert hat. Beispielsweise haben mir meine KollegInnen regelmäßig Mittagessen mitgebracht. Es kommt hinzu, dass der Schulalltag wesentlich flexibler geregelt wird als in Deutschland und so mein “Stundenplan” stark variiert hat und ich zumeist am Anfang der Woche mit meinen KollegInnen abgeklärt habe welche besonderen Umstände es in der kommenden Woche zu beachten gilt und wie sich meine Stunden und Hospitationen am besten einbringen lassen.

Ich habe mich zunächst auf die Hospitationen konzentriert und nur vereinzelt unterrichtet und Inputs zu Themen gegeben und dann nach etwa einem Monat auch vermehrt unterrichtet und mir Unterrichtseinheiten zu verschiedenen Themen geben lasse.

Der Unterricht beginnt um 08:50 die Schüler kommen allerdings schon um 8. Oft beginnt der Tag mit einer Schulversammlung oder einer Versammlung einer bestimmten Stufe (Unter- Mittel oder Oberstufe) wo verschiedene aktuelle Dinge besprochen werden. Die Schüler sitzen dabei auf dem Schulhof auf dem Boden. Für mich war das immer nochmal etwas Zeit um mir anzusehen was an dem Tag ansteht und welche Stunden ich geplant habe und natürlich was es an besonderen Gegebenheiten zu berücksichtigen gilt (Neben der Vielzahl an Feiertagen gibt es außerdem oft Schulinterne Events wie MUN, Science-Expo oder verschiedene Wettbewerbe oder Turniere). Zumeist hatte ich am Tag einige Hospitationsstunden und/oder Unterrichtsstunden und dazwischen einige Freistunden die Ich im Lehrerzimmer mit Arbeit für das Praxissemester oder im Schachraum oder auf dem Schulhof mit den SchülerInnen verbracht habe.

Ich habe für das Goethe-Institut ein Projekt zum Thema Identität und Subkultur durchgeführt in dem mich die SchülerInnen sehr beeindruckt und alle meine Erwartungen übertroffen haben. Auch von Seiten des Kollegiums wurden meine Bemühungen sehr geschätzt und wenn möglich aufgenommen und unterstützt.

Ein typische Klasse hat zwischen 35 und 40 Schüler. Die Schule besteht neben der Secondary School außerdem aus einer Primary + Kindergarten. Größtenteils habe ich die Klassenstufen 5-8 unterrichtet, da in der Stufe 10 und 12 wichtige Prüfungen anstehen und in Indien ist der Druck sowohl auf Lehrerschaft als auch auf Schülerschaft wesentlich größer als bei uns. Die Schulen sind zumeist Privatschulen und um sich auf dem freien Markt der Bildungsinstitutionen zu behaupten ist eine Top-Performance notwendig. Mein Arbeitstag endete normalerweise um 16:40. Oft blieb ich allerdings länger um an den nachmittäglichen Sportangeboten mitzuwirken.

Freizeit

Außerhalb der Schule habe ich hin und wieder für das Goethe-Institut an Jugendcamps und Veranstaltungen mitgewirkt, was sowohl persönlich als auch finanziell sehr lohnend war. Chennai ist eine relativ orthodoxe Großstadt im Südosten Indiens die besonders durch die IT-Branche einen starken Aufschwung erlebt hat. Trotzdem ist sie weniger kosmopolitisch als andere indische Großstädte wie Bangalore, Dehli oder Mumbai. Die lokale tamilische Kultur spielt im Alltag sowie politisch eine große Rolle. Es finden sich viele große und kleine Hindu-Tempel und Schreine überall in der Stadt und die meisten Familien haben kleine Hausaltäre und praktizieren ihre Religion aktiv. Es empfiehlt sich daher um die Menschen und den Ort besser zu verstehen sich mit hinduistischer Kultur, Mythologie und Philosophie auseinanderzusetzen. Man wird schnell feststellen, dass viele “seltsame” Dinge die einem im Alltag begegnen durchaus ihren Sinn haben und oft auf faszinierende Weise das Leben der Menschen prägen. Chennai hat eine sehr ausgeprägte Kultur und Musikszene im Bereich traditioneller südindischer (karnatischer) Musik und den damit assoziierten Tänzen. Zudem sind die meisten Kulturveranstaltungen sehr günstig (maximal 10 Euro eher zwischen 1-5) oder sogar umsonst. Außerdem gibt es natürlich die Strände der Stadt die durchaus faszinierend zu erleben sind und allgemein ist indisches Leben so spannend und vielseitig, dass ein paar Schritte auf der Straße als Sightseeing oft völlig ausreichen.

Allgemein

Meine Empfehlung wäre allerdings, wenn man in einer solchen Stadt lebt, jede Gelegenheit zu nutzen auch mal aus der Stadt heraus aufs Land zu kommen, wo die Natur noch zu bewundern ist und auch allgemein ein ganz anderes Indien zu sehen ist. Ich denke rückblickend nicht, dass ich etwas lieber anders gemacht hätte. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte, die es mir auch erleichtert hat mich mit der Rolle “Lehrkraft” vertraut zu machen. Wenn man ohnehin gezwungen ist seine Verhaltensweisen zu ändern fällt es auch leichter sich im professionellen Kontext auf seine Rolle einzulassen.