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Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
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Fundierte, ausgewogene Urteile zu fällen und öffentlich dafür einzustehen, das fällt vielen Menschen schwer. Trotz einer Fülle von Informationen oder gerade deswegen. Doch Urteilsbildung lässt sich erlernen und einüben. Wie das bereits in der Schule gelingen kann, damit hat sich ein interdisziplinäres Team aus Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern aus Philosophie und Politikwissenschaft von der Friedrich-Schiller-Universität Jena auseinandergesetzt. Für ihr Seminar „Die Kontroverse um das Kontroversitätsgebot: Urteilsbildung aus politik- und philosophiedidaktischer Perspektive“ werden Ilka Hameister, Peter Starke und Dr. Mario Ziegler mit dem Lehrpreis 2024 der Universität Jena ausgezeichnet. Die mit 2.500 Euro dotierte Auszeichnung in der Kategorie Lehrpreis für die beste Lehrveranstaltungskonzeption wird am 19. November beim diesjährigen „Dies legendi“ verliehen.
Eigene Erfahrungen ermöglichen und darüber reflektieren
„Kontroversität und Urteilsbildung sind ein Dauerbrenner der Lehrerbildung und gegenwärtig scheint das Thema besonders brisant zu sein“, sagt Ilka Hameister. Die 30-jährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der Politik nennt Talkshows als Beispiel, an denen sich regelmäßig die Frage entzündet, wie politisch miteinander gestritten werden sollte. Zugleich seien kontroverse Diskussionen in der Schule gelebter Alltag für Lehrerinnen und Lehrer. Die Frage, wie das gelingen kann und wo die Grenzen der Kontroversität liegen, steht im Mittelpunkt des gemeinsam entwickelten Seminars. Die Innovation besteht dabei in der konsequenten Umsetzung eines erfahrungsgeleiteten Lehr-Lern-Konzepts: „Wir lassen die Studierenden eigene Erfahrungen machen und ermutigen sie, danach darüber zu reflektieren“, sagt Mario Ziegler, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachdidaktik Ethik/Philosophie tätig ist. Dabei seien die Lehramtsstudierenden gefordert, selbst Kontroversität zuzulassen. In der Reflexion über die kontroversen Ansichten sind die unterschiedlichen Perspektiven im besten Sinne lehrreich. Peter Starke, der gemeinsam mit Mario Ziegler in der Philosophie-Didaktik arbeitet, erläutert das Lehrkonzept so: „Die Studierenden werden als Akteure in Kontroversen verwickelt, dann zu Beobachtern und schließlich zu reflektierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.“ Ziel sei letztlich, dass die Studierenden eigene Unterrichtskonzepte entwickeln, durchführen und gemeinsam reflektieren, um alternative Handlungsmöglichkeiten zu besprechen.
Lehrkräfte können nicht neutral sein
Ilka Hameister sagt, ein Mittel der Wahl sei eine simulierte wissenschaftliche Konferenz, bei der die Studierenden in unterschiedliche, kontrovers angelegte Rollen schlüpfen und entsprechend agieren. Ein anderes Format sind videographierte Unterrichtsszenen, in denen aufgeladene Themen wie Parteiverbotsverfahren oder Ursachen von Migration kontrovers diskutiert werden. Mario Ziegler: „Eine ganz wichtige Erfahrung ist, dass Lehrende niemals neutral sein können und ihre Ansichten und Meinungen in die Unterrichtsgestaltung immer mit einfließen.“ Vielmehr gehe es darum, sich der eigenen Vor-Urteile als Lehrkraft bewusst zu werden und einen verantwortungsvollen Umgang damit zu finden. Die Grunderfahrung, dass Politik und Philosophie durchaus divergierende Perspektiven bieten, sei dabei ungemein bereichernd. Ilka Hameister: „Man erkennt die Grenzen des eigenen Faches und lernt, darüber hinaus zu gehen!“ Mit dem Lehrpreis wird ein Konzept ausgezeichnet, dass es Studierenden ermöglicht, zwei Wissenschaftsdisziplinen miteinander zu verknüpfen und das Potenzial fächerverbindender Unterrichtsplanung zu erschließen.
In der Kategorie "Besonderes Engagement in der Lehre" geht der Lehrpreis 2024 an den Physiker Prof. Dr. Martin Ammon.