Blick über Montréal

Luise Laue - Erfahrungsbericht aus Montréal, Kanada

Blick über Montréal
Foto: Luise Laue

Luise in der Natur

Foto: Luise Laue

Durch die Unterstützung des IDEAS-Stipendiums des Zentrums für Lehrerbildung konnte ich mir im Wintersemester 2023/24 meinen Traum eines Auslandssemesters in Montréal, im französischsprachigen Teil Kanadas, verwirklichen.  

Durch mein Lehramtsstudium der Fächer Englisch und Französisch habe ich mir seit längerem überlegt, ein Semester im Ausland zu verbringen. Ich habe anfangs zwischen den Studienorten Straßburg und Montréal geschwankt, aber mich schnell für zweiteres entschieden, da ich einfach mal eine Erfahrung außerhalb Europas machen wollte. Ich kann es jeder*m Lehramtssudierenden, der/die in Erwägung zieht, ein Auslandssemester zu unternehmen, das IDEAS-Stipendium ans Herz legen, da man hier neben guter finanzieller Unterstützung auch eine super nette Betreuung erhält.

Bewerbungsprozess:

Nachdem ich für das Stipendium angenommen wurde, begannen auch schon die organisatorischen Vorbereitungen, welche mich zunächst etwas erschlugen. Da ich noch nie ein Auslandssemester absolviert habe, musste ich mich erst einmal mit allen nötigen bürokratischen Anforderungen, Fristen und dem schier endlosen E-Mailverkehr vertraut machen. Da aber alle Ansprechpartner*innen sehr hilfsbereit waren, konnten alle meine Fragen beantwortet und meine Ängste etwas beseitigt werden. Auch die Wahl meiner Seminare an der Gastuni lief nicht ohne ein paar Schwierigkeiten ab. Da es nicht so einfach ist, als internationale*r Studierende*r an der Université de Montréal für nur ein Semester lehramtsspezifische Programme zu studieren, habe ich mich für ein Studium der Literaturwissenschaft in Kombination von Englisch und Französisch entschieden. Hier konnte ich auch ein Seminar über die Kultur, Kunst und Literatur in Québec belegen, welches sehr interessant war und mir half, viel über diese kanadische Provinz zu lernen. Glücklicherweise können mir alle vier Module, welche ich belegt habe, auch in Jena anerkannt werden.

Université de Montréal

Foto: Luise Laue

Studium:

Das Studium in Montréal unterschied sich in vielen Punkten von dem in Deutschland. Nicht nur sind die Seminarzeiten 180 statt 90 Minuten lang, sondern es gibt auch zwei Klausurenphasen in einem Semester, die Mid-Terms und die Finals. Den wöchentlichen Aufwand für das Studium würde ich als ähnlich zu meinem Studium hier in Jena einschätzen, allerdings musste ich mehr Lektüre lesen, als ich es gewohnt war. Da ein Seminar doppelt so lang dauert wie in Deutschland, hat man im Allgemeinen auch weniger Module pro Semester, nämlich vier bis fünf. Für Auslandsstudierende, die nebenbei noch etwas herumreisen wollen, empfehle ich vier Module zu belegen, was 24 Credits entspricht. Die Dozierenden sind sehr nett und es herrscht ein etwas entspannterer und weniger formeller Umgangston.

Vor Semesterbeginn am 5. September veranstaltete die Uni eine Einführungswoche, bei der es zahlreiche Programmpunkte, wie Campusführungen, Footballspiele, Bingo- und Karaoke-Abende zu erleben gab. Dort habe ich auch die meisten meiner Freund*innen kennengelernt. Ich kann es also wärmstens empfehlen, dort an möglichst allen Veranstaltungen teilzunehmen, um nicht nur den Campus, sondern auch Mitstudierende kennenzulernen. Solche Aktivitäten sind gerade in den ersten Wochen nach der Ankunft eine willkommene Gelegenheit, sich nicht mehr so allein in der neuen Stadt zu fühlen.

Eine Mensa, wie wir sie aus Jena kennen, gibt am Campus leider nicht. Es gibt zwar eine Cafeteria, welche neben Snacks wie Grilled Cheese und Burger auch frisch gekochte Gerichte anbietet, jedoch muss man dafür bis zu 15$ zahlen, weshalb sich so gut wie alle Studierenden ihr Lunch von zu Hause mitbringen.

Auf dem Hauptcampus gibt es mehrere Bibliotheken, wo man gut arbeiten und sich auf die Prüfungen vorbereiten kann. Neben diesem Campus gibt es in der Stadt verteilt noch weitere, die je nach Studienfächern eingeteilt sind. Der Campus MIL ist ein für die MINT-Fächer neu gebautes und sehr einladendes Gebäude, wo ich, obwohl ich dort keine Seminare hatte, gern gearbeitet und den guten und sehr günstigen Kaffee in einem der studentischen Cafés genossen habe.

Die Université de Montréal hat außerdem ein großes Sportzentrum, an dem man alle möglichen Sportkurse belegen oder kostenlos trainieren kann. Ich kann besonders das Schwimmbad empfehlen, welches für alle Studierenden kostenlos ist und sogar eine Sauna besitzt. Im Sommer finden im Campusstadion gut besuchte Footballspiele statt, welche man sich für wenig Geld anschauen kann. Wie es sich für eine kanadische Universität gehört, hat die Uni natürlich auch eine Frauen-Eishockeymannschaft, deren Spiele auch sehr empfehlenswert sind, um in den kanadischen Spirit einzutauchen.

Eishockey Spiel

Foto: Luise Laue

Wohnen:

Bewirbt man sich früh genug, hat man die Chance auf eine Wohnung im Wohnheim nahe des Hauptcampus. Da dieser Bewerbungszeitraum jedoch bereits im März endet, wo man teilweise noch nicht final an der Gastuni angenommen ist und außerdem der Mietvertrag nur ab mind. 8 Monaten Aufenthalt unterschrieben werden kann, habe ich mich gegen diese Option entschieden. Ich kann empfehlen, über Facebook in Wohnungsgruppen einzutreten und dort nach WG-Zimmern zu suchen. Diese werden zwar oft über einen Zeitraum ab 1 Jahr vermietet, aber es gibt auch zahlreiche Angebote für kürzere Aufenthalte. Man bekommt hier auch relativ zügig Antworten und kann dann meistens virtuell die WG besichtigen. Mein WG-Zimmer hat mir sehr gut gefallen, es lag zwar etwas von der Uni entfernt, dafür aber in einem sehr schönen und ruhigen Viertel.

Leben in Montréal:

Montréal ist trotz seiner beachtlichen Größe und Einwohnerzahl eine sehr angenehme und entspannte Stadt. Gerade die Wohnviertel sind dank der roten Backsteinhäuser mit den eisernen Wendeltreppen schick anzusehen. Viele kleine Cafés laden hier zum gemütlichen Verweilen und Lesen ein. Die vielen Parks mit kleinen Seen oder Brunnen sind im Sommer nicht zu voll und doch belebt und man kann überall Eichhörnchen aus nächster Nähe beobachten. An Bars und Clubs mangelt es auch nicht, jedoch schließt alles spätestens 3 Uhr, die Montréaler*innen gehen also eher früh aus. Wer Vintage Stores und kleine Buchläden liebt, der wird hier mehr als fündig. Ich habe einige Nachmittage damit verbracht, mit Freund*innen durch diese Läden zu stöbern. Auch kulinarisch hat Montréal von jeder Küche der Welt etwas zu bieten, besonders gut sind die Dumplings in Chinatown.

Da Montréal zentral an der Ostküste liegt, erreicht man von dort aus andere große Städte, wie Toronto, Québec, Ottawa oder New York ziemlich schnell mit dem Zug oder Mietwagen. Ich empfehle es sehr, an längeren Wochenenden oder der „Lecture week“, einer Freiwoche im Oktober, kleinere Reisen zu unternehmen. Was die Natur angeht, so gibt es einige tolle Wanderungen rund um Montréal, allerdings muss man hier mit dem Leihauto mind. eine Stunde fahren, denn Busse fahren leider selten bis gar nicht.  

Die größte Umstellung zu meinem Leben in Jena waren für mich die langen Wege, die ich mit Bus und Metro zurücklegen musste, um an die Uni oder zu meinen Freund*innen zu kommen. Leider waren diese langen Strecken oft sehr zehrend, da man mit Verspätungen durch Busse rechnen musste. Ich habe so viel wie möglich versucht, zu Fuß zu gehen, jedoch sind die Distanzen in nordamerikanischen Städten oftmals einfach zu groß. Montréal ist jedoch auch sehr Fahrradfreundlich und man kann sich fast das ganze Jahr über Fahrräder und E-Bikes an zahlreichen Stationen in der Stadt per App ausleihen.

Blick über Montréal

Foto: Luise Laue

Luise mit einer Freundin

Foto: Luise Laue

Packtipps/ Wetter:

Falls du auch, wie ich, das Wintersemester in Montréal verbringst und bereits im August anreist, kann ich dir empfehlen, für alle Wetterlagen ausgerüstet zu sein. Bis in den Oktober hinein kann es durch den Indian Summer noch bis zu 30°C werden, auch nachts kühlt es sich kaum ab. Das habe ich überhaupt nicht erwartet. Als ich angekommen bin, hatte aber zum Glück genügend Sommersachen dabei. Ab Oktober empfiehlt es sich, eine Regenjacke dabei zu haben, da es ab und zu stärker regnen kann, ansonsten ist der Herbst sehr ähnlich zu dem in Deutschland. Was den Winter angeht, so kann es gut auch mal bis zu -30°C werden, allerdings ist das im Dezember und Anfang Januar (es kommt darauf an, wann du abreist) eher eine Seltenheit und die Temperaturen bewegen sich maximal um die -15°C. Eine dicke Winterjacke und gute Winterschuhe, mit denen du durch hohen Schnee stapfen kannst, sind also Pflicht.

Fazit:

Trotz des bürokratischen Aufwandes würde ich mich jedes Mal wieder für ein Auslandssemester entscheiden. Obwohl ich anfänglich Probleme hatte, mich an die neue Situation und Stadt zu gewöhnen, auch weil ich noch nie allein gereist bin, geschweige denn in einer frankophonen Umgebung, die auch noch auf einem anderen Kontinent ist, bin ich froh, dieses Abenteuer gewagt zu haben. Trotz Ups and Downs bin ich am Ende stolz, diese neue Situation gemeistert zu haben und bin dankbar, tolle Freundschaften fürs Leben geknüpft zu haben. Für meine Zukunft als Lehrperson hat mir vor allem die Auseinandersetzung mit der französischen Sprache in Kombination mit der Québecer Identität viel interessanten Input gegeben. Eine solche Möglichkeit bietet sich nicht oft und ich habe mich sehr privilegiert gefühlt, durch die großzügige finanzielle Unterstützung, diese Chance nutzen zu dürfen.

Wasserfall

Foto: Luise Laue

Nice-to-know:

  • Tipps zur Abgabe von Dokumenten auf der Plattform der Gastuni: Deine Geburtsurkunde musst du unbedingt notariell auf Englisch und Französisch übersetzen lassen, eine eigene Übersetzung wird nicht akzeptiert. Du brauchst außerdem eine von einer öffentlichen Stelle, wie z.B. einem Fremdspracheninstitut, unterschriebene Urkunde über dein Französischniveau (mind. B2).
  • Die Gastuni stellt eine universitätsinterne Krankenversicherung, dort integriert sind allerdings keine Zahnarztkosten. Ich habe allerdings noch zusätzlich eine Auslands-KV abgeschlossen, da die Uni wirklich nur den exakten Semesterzeitraum abdeckt.
  • Melde dich bei dem Newsletter der Uni an, dort bekommst du von den studentischen Ambassadeuren der Uni, welche Campuspartys, Ausflüge, Kinoabende uvm. organisieren, nahezu täglich Mails zu den nächsten Programmpunkten.
  • Versuche, dir einen Account bei einer Autovermietung, wie z.B. communauto zu machen, damit bist du für Roadtrips deutlich flexibler und günstiger als mit dem Zug (der fährt auch nicht in alle Ortschaften). Du musst allerdings prüfen, ob du einen internationalen Führerschein brauchst.