„Denken ohne Grenzen!“ auch im Pausenhof der Deutschen Evangelischen Oberschule

Besuch deutscher Auslandsschulen in Kairo

und Teilnahme am DAAD-Studieninformationstag I ein Reisebericht von Laurenz Volkmann für das Teilprojekt "Praxissemester im Ausland"
„Denken ohne Grenzen!“ auch im Pausenhof der Deutschen Evangelischen Oberschule
Foto: L. Volkmann

Meldung vom: | Verfasser/in: Christiane Kramer
Zur Original-Meldung

Reisen erweitert bekanntlich den Horizont...

und kann dabei helfen, vorgefertigte oder überlieferte Meinungen zum Gastland abzubauen. Diese Annahme kann von mir bestätigt werden: Denn vor meiner einwöchigen Dienstreise nach Kairo erfuhr ich aus einem populären Reiseführer, dass die Metropole von den Einheimischen gerne „The Big Mango“ genannt wird, in Anlehnung an die Bezeichnung New Yorks als „The Big Apple“. Ein interessanter Gesprächsstoff, so dachte ich, um eventuelle Pausen in Small Talks zu überbrücken – erfuhr dann aber, dass diese Bezeichnung meinen einheimischen Gastgebern unbekannt war.

  • Im Vorfeld der Reise...

    entschied ich mich für ein relativ einfaches Hotel auf der Nilinsel Al Manial (Hotels mit gehobenem Standard erweisen sich als ausgesprochen hochpreisig). Das 38-stöckige Hochhaus befindet sich in fußläufiger Entfernung zum zentralen Tahrir-Platz, zur Altstadt mit ihren Museen, aber auch zu Sehenswürdigkeiten wie dem koptischen Viertel und zu einigen bedeutenden Moscheen (wie der Moschee des ʿAmr ibn al-ʿĀs). Von der direkt am Nil gelegenen Unterkunft aus konnten in sternförmigen Exkursionen alle vier deutschen Schulen erreicht werden. Diese Besuche erwiesen sich teilweise durchaus als Tagesreisen, da die Fahrt mit dem sehr preisgünstigen Uber-Taxi – bei starkem Verkehrsaufkommen auf den mehrfach achtspurigen Stadtautobahnen und im morgendlichen Berufsverkehr – leicht eine ganze Stunde  in Anspruch nehmen konnte. 

  • Die ägyptische Hauptstadt...

    die ägyptische Hauptstadt Kairo

    Foto: pixabay

    mit ihren zehn Millionen Einwohnern erscheint mit ihren zahlreichen Stadtteilen, Vororten und ständig wachsenden Randbezirken auf den ersten Blick wie ein kaum überschaubarer urbaner Moloch (laut Wikipedia leben im Großraum Kairo sogar über 20 Millionen Menschen). Und doch vermitteln die einzelnen, höchst unterschiedliche Viertel der Altstadt, die eher von Grünflächen geprägten langgestreckten Nilinseln und die modernen Vororte mit ihren durch bewachte Tore abgeschotteten gated communities schnell ein Gefühl der Vertrautheit mit dieser doch sehr lauten und wenig verkehrsberuhigten Metropole.

So konnte diese Reise insgesamt einen sehr differenzierten Eindruck von Kairo und seinen deutschen Schulen vermitteln. Die Reise diente der Kontaktaufnahme und -pflege, der Erkundung schulischer und außerschulischer Bedingungen für angehende Lehrkräfte im „Praxissemester im Ausland“. Dazu sollten unterschiedliche Unterrichtspraktiken beobachtet und mit den Lehrkräften vor Ort diskutiert werden; durch den Austausch mit den „Stakeholders“ vor Ort sollte ein genaueres Bild über den Unterricht und seine Rahmenbedingungen an unseren (auch zukünftigen) Partnerschulen gewonnen werden.

Aus pädagogisch-didaktischer Sicht bot Kairo mit seinen vier anerkannten Deutschen Auslandsschulen die Möglichkeit, innerhalb weniger Tage schulische Kontexte sowie konkreten Unterricht an verschiedenen Standorten zu erkunden und dabei ein sehr ausgewogenes Gesamtbild zu gewinnen, das im Rahmen des Projekts „Praxissemester im Ausland“ einerseits Hilfestellung bei der Feinjustierung des Gesamtkonzepts bieten und andererseits der „passgenauen“ Beratung bei der Wahl der jeweiligen Schule dienen kann.

  • Besuch an der deutschen Schule der Borromäerinnen

    Innenhof der Deutschen Schule der Borromäerinnen

    Foto: L. Volkmann

    Mittwoch, 25. Oktober: 

    Die erste Station konnte ich nach einer Stunde angestrengten Spazierengehens durch das hupende Gedränge des Morgenverkehrs erreichen – und wäre beinahe unverrichteter Dinge wieder umgekehrt. Denn das Gebäude der Deutschen Schule der Borromäerinnen, welches sich im Herzen der Altstadt befindet, also in idealer Lage für Praxissemesterstudierende, die in das ägyptische Stadtleben eintauchen wollen, verbirgt sich hinter schweren Eisentoren. Aus Sicherheitsgründen deutet wenig auf die Existenz einer deutschen Bildungseinrichtung im Inneren des Gebäudekarrees hin. Glücklicherweise traf ich auf dem Gehweg vor dem Gebäude die sehr verdienstvolle Englischlehrerin Frau Schmachtenberg-Polo, mit der ich dann meinen Schulbesuch beginnen konnte. Die bereits 1904 gegründete Schule unter der Trägerschaft der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus unterrichtet ca. 600 Mädchen in der Unterrichtssprache Deutsch von der Jahrgangsstufe 1 bis 12. In Gesprächen mit mehreren Lehrkräften, Unterrichtsbesuchen und einem Rundgang durch die Schule konnte ich mich sehr aufschlussreich über die angewandten Lehr- und Lernmethoden austauschen, auch und vor allem darüber, wie die überwiegend ägyptischen Schülerinnen auf das deutsche Abitur vorbereitet werden. Die Schule wirkt durch ihre zentrale Lage sehr attraktiv für „abenteuerlustige“ deutsche Lehrkräfte, wie mir versichert wurde, und bietet für Praktikant/innen die Möglichkeit, im Nebengebäude in kirchlichen Unterkünften vorübergehend zu wohnen. zur website der SchuleExterner Link

  • der Informationstag des DAAD an der Deutschen Evangelischen Oberschule

    der Garten der DAAD-Dependance in Kairo vor dem abendlichen Empfang

    Foto: L. Volkmann

    Donnerstag, 26. Oktober: 

    Hervorragend organisiert von den Lehrkräften vor Ort und vom DAAD fand an diesem Tag an der Deutschen Evangelischen Oberschule im Bezirk Giza eine Informationsmesse für Schüler/innen der Deutschen Schulen in Ägypten statt. Eingeladen waren etwa 500 interessierte zukünftige Absolvent/innen. Die insgesamt acht Schulen verfolgen in der Regel das Konzept einer integrierten Begegnungsschule, in der sowohl deutschstämmige als auch nicht-deutschstämmige Schüler/innen aufgenommen werden – die Zahl ägyptischer Schüler/innen erscheint deutlich höher. Ziel des Schulbesuchs der Kinder aus eher wohlsituierten Familien ist tendenziell die Qualifikation für ein zukunftssicheres Studium. Ingenieur-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften sowie Medizin stehen dabei eindeutig im Mittelpunkt des Interesses, während das Lehramtsstudium weniger Beachtung findet. Dabei erscheinen die Möglichkeiten eines prestigeträchtigen Studiums in Deutschland für eine spätere Karriere bei ägyptischen oder internationalen Arbeitgebern durchaus verlockend.

    Zusammen mit etwa einem Dutzend Vertreter/innen anderer deutscher Hochschulen vermittelte ich im Pausenhof der Schule Einsichten in das Studium in Deutschland. An einem mit Informationsmaterial bestückten (deutschen?) Biertisch konnte ich für die FSU Jena werben und zahlreiche Studientipps geben.

    Bei zwei Vorträgen über das Studium an meiner Universität sowie zwei weiteren Präsentationen zum Lehramtsstudium in Jena erreichte ich darüber hinaus ein größeres und sehr aufmerksames Publikum. In Einzelgesprächen gab es Hinweise für die zukünftige Studienwahl und dazu konnte ich mit den betreuenden Lehrkräften ins Gespräch kommen. Im Anschluss an diese Veranstaltung lud der DAAD zu einem abendlichen Empfang in seine Außenstelle auf der Zamalek-Insel ein. Das herrschaftliche Gebäude im Kolonialstil – es soll der Sitz des ehemaligen DDR-Botschafters gewesen sein – wirkt mit seiner grünen Gartenanlage wie eine Oase der Ruhe im hektischen Treiben der Großstadt. Die Betreuung durch den DAAD (vor allem durch die unermüdliche Frau Ghada Medhat) erwies sich insgesamt als sehr hilfreich und zielführend, auch die Abendveranstaltung konnte ihren Zweck der beruflichen Vernetzung und des Austausches sehr gut erfüllen.

    zur Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo:Externer Link

  • Architektonische Eindrücke in der Nähe der Deutschen Schule der Borromäerinnen
    Architektonische Eindrücke in der Nähe der Deutschen Schule der Borromäerinnen
    Foto: L. Volkmann
  • Deutsche Evangelische Oberschule Kairo
    Deutsche Evangelische Oberschule Kairo
    Foto: Evangelische Oberschule Kairo
  • Deutsche Schule Beverly Hills Kairo
    Deutsche Schule Beverly Hills Kairo
    Foto: Berverly Hills Kairo
  • Logo der Europaschule Kairo
    Logo der Europaschule Kairo
    Foto: Europaschule Kairo
  • Besuch der Deutschen Schule Berverly Hills

    Englischunterricht an der Beverly Hills School mit vorbildlichem Tafelbild

    Foto: L. Volkmann

    Sonntag, 29. Oktober: 

    Im Westen der Metropole, nach längerer Fahrt vorbei an immer neuen Bauprojekten und unzähligen Plakaten, auf denen der ägyptische Fußballstar Mo Salah für den Kauf eines idyllischen, Ruhe versprechenden Eigenheims in der Vorstadt wirbt, erreichte ich am frühen Morgen die Deutsche Schule Beverly Hills, die neben anderen internationalen Schulen inmitten einer modern anmutenden Vorstadtsiedlung liegt (Sheikh Zayed City). Hier trifft arabisches auf US-amerikanisches Ambiente – doppelt streng bewacht an der Siedlungsgrenze wie am Schultor. Im Inneren zeigt sich ein sehr freundliches, modernes Bild und der Schulleiter, Herr Sven Sievert, nahm sich viel Zeit für lange Gespräche, Diskussionen mit Englischlehrkräften, einen Unterrichtsbesuch sowie eine ausgiebige Führung durch die Schulgebäude. Wie auch andere deutsche Lehrer/innen im Auslandsdienst betonte er, dass die schulischen und außerschulischen Erfahrungen mit der fremdkulturellen und fremdsprachlichen Welt als wichtiger Erfahrungsschatz für angehende Lehrkräfte (also unsere Studierenden im Praxissemester) zu bewerten sind. Dies umso mehr, als Lehrkräfte in Deutschland auf immer diverser zusammengesetzte Klassen treffen und gerade im Auslandseinsatz darauf vorbereitet werden. Das anregende Gespräch mit dem engagierten Schulleiter wurde bis in den Abend hinein vertieft und machte deutlich, dass an dieser Schule eine besonders intensive Betreuung der Praktikant/innen gewährleistet ist. 

    zur Deutschen Schule Beverly Hills in Kairo:

  • Besuch an der Europa-Schule

    Montag, 30. Oktober: 

    Der letzte Schulbesuch  meiner Reise bedeutete erneut eine lange Fahrt mit dem Uber-Taxi durch die wuchernden Außenbezirke im Osten Kairos, durch verschiedene modernere Neusiedlungen, die quasi am Reißbrett entworfen und in die Wüstenlandschaft gesetzt wurden, mit den inzwischen bekannten infrastrukturellen Problemen. Auch diese Schule befindet sich in einem gesicherten Compound in „New Cairo“ mit angeschlossenem Kindergarten sowie einem Grundschulbereich. Begeistert hat mich ein Unterrichtsbesuch bei einer ägyptischen Englischlehrerin, die einen sehr lebendigen, interaktiven und methodisch abwechslungsreichen Unterricht praktizierte, der didaktischen Ansprüchen absolut gerecht wurde (und das, obwohl sie, wie ich erfuhr, keine formale Ausbildung als Englischlehrerin absolviert hatte). Auch an dieser Schule konnten die verschiedenen Unterrichtsstile und –ansätze diskutiert werden. Fast möchte ich mit dem Unterrichtsforscher Hattie sagen: it depends on the teacher! In diesem Zusammenhang konnte ich mit den Lehrkräften kulturell unterschiedliche Vermittlungspraktiken erörtern und dabei Einsichten gewinnen, wie unsere Studierenden noch besser auf kulturell diverse Lernergruppen vorbereitet werden können. Dies gilt beispielsweise für das Thema Feedback geben, das im ägyptischen Lehr-Lern-Kontext mit einer gewissen Tabuisierung von kritischen Äußerungen verbunden ist. 

    Herr Knut Leistikow, der als Vertreter der Schulleitung meinen Besuch an der Europa-Schule organisierte, wies positiv darauf hin, dass gerade die Auseinandersetzung mit den höchst heterogenen fremdsprachlichen Fähigkeiten seiner Schüler/innen (unterschiedliche Beherrschung des Deutschen und/oder des Englischen) junge Lehrkräfte vor die Herausforderung stellt, den Umgang mit Heterogenität und Diversität täglich neu zu erlernen und schülerorientiert zu praktizieren. Er hielt damit zugleich ein Plädoyer für das „Praxissemester im Ausland“ und lud – auch angesichts des Lehrermangels, der sich natürlich auch an den Auslandsschulen bemerkbar macht – dazu ein, das Praxissemesters an seiner Schule in Kairo zu absolvieren.

    zur Europa-Schule in KairoExterner Link

„Freie Tage“ 

nutzte ich nicht nur, um die üblichen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen bzw. den üblichen touristischen Aktivitäten nachzugehen – Besichtigung der Pyramiden von Gizeh, Bootsfahrt auf dem Nil, Besuch der arabischen Altstadt mit ihrem labyrinthischen Basar und den imposanten Moscheen usw. –, sondern auch für eine längere Stadtwanderung durch das ruhigere „europäische Szeneviertel“ Maadi (südöstlich am Nil gelegen), einem bevorzugten Wohn- wie Aufenthaltsort der deutschen Lehrkräfte.

Von hier aus können sie direkt mit Zubringerbussen zu den deutschen Schulen gelangen, deren Unterricht in der Regel um 7.20 Uhr (!) beginnt und am frühen Nachmittag endet.

  • Blick auf den Nil
    Blick auf den Nil
    Foto: L. Volkmann
  • Blick von der Insel Al Manial auf Gizeh am Westufer des Nils
    Blick von der Insel Al Manial auf Gizeh am Westufer des Nils
    Foto: L. Volkmann
  • Straßenszene in der arabischen Altstadt
    Straßenszene in der arabischen Altstadt
    Foto: L. Volkmann
  • Typische Szene auf einer der "Stadtautobahnen"
    Typische Szene auf einer der "Stadtautobahnen"
    Foto: L. Volkmann

So bleibt als Eindruck dieser Kontaktreise, dass Kairo mit seinen vier Deutschen Auslandsschulen und Ägypten mit seinen acht Deutschen Auslandsschulen vielfältige Angebote für unsere Studierenden bietet: einen kulturell hochinteressanten Kontext, eine überwiegend motivierte Schülerschaft und eine attraktive Auswahl an Schulen, die durch motivierte Schulleitungen und Lehrkräfte hervorragende Angebote für unsere Lehramtsanwärter/innen machen.

Eine weitere ägyptische „Originalstimme“ begegnete mir übrigens auf der ermüdend langen Rückreise (die Reise von Kairo nach Jena dauert immerhin einen guten Tag): Bei der Lektüre einer Novelle des berühmten ägyptischen Literaten Nagib Mahfouz, die ich auf dem Kairoer Flughafen erstanden hatte, erschloss sich mir das großstädtische Milieu dieses Romanciers als literarische Entdeckung.